Rosi Oppold

Grüne Stadträtin und 3. Bürgermeisterin in Immenstadt

Name: Rosi Oppold

Alter: 67

Beruf: pensionierte Lehrerin

Politisches und gesellschaftliches Engagement:

In den 1970-er Jahren beschäftigten mich viele Umweltfragen, die besonders mit der Atomkraft zu tun hatten. Als 1979 die Grünen in Baden-Württemberg gegründet wurden, hatte ich meine politische Heimat gefunden. In den 1980-ern lebte ich mit meinem Mann Werner in Weißenburg (Mittelfranken) und wir waren Teil der dortigen Friedensinitiative. Wir standen in der Menschenkette von Ulm nach Stuttgart, nahmen an den Ostermärschen und an Demonstrationen gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf teil. In Immenstadt gab es eine engagierte grüne Gruppe, Werner und ich gehörten dazu. Werner wurde 1990 in den Stadtrat gewählt, ich hielt ihm den Rücken frei. Bei vielen politischen Aktionen, z.B. brauchen wir einen neue B19? oder beim Bürgerbegehren gegen den Golfplatz im Weihergut, und im Wahlkampf arbeitete ich immer mit. Als Werner schwer erkrankte, ging ich mit ihm regelmäßig zu den grünen Ortstreffen und fand eine junge tolle Gruppe vor. Nach Werners Tod blieb ich. Ich hatte das Gefühl, mit sympathischen und rücksichtsvollen Menschen grüne Kommunalpolitik machen zu können.

Seit wann politisch/gesellschaftlich aktiv und seit wann im Städtle:      

Wir sind 1987 nach Immenstadt - Stein gezogen. Ich wollte, dass unsere Kinder Sport machen können und bot bald im Steiner Turnverein Kinderturnen an für 4- bis 7-jährige. Später Mitte der 1990-er stellte ich mich für den Elternbeirat zur Verfügung und war einige Jahre die Vorsitzende. Als sich bei der Kommunalwahl 2002 viele Frauen auf den Listen befanden, aber nur eine grüne Frau in den Stadtrat gewählt wurde, haben Barbara Holzmann und ich die Frauen eingeladen, uns zu solidarisieren und auf die nächste Stadtratswahl vorzubereiten. Mit einer Frauenliste wollten wir antreten. (Das gelang erst 2020 Alexandra Konda.) Unsere Treffen sind nach einer Weile im Sande verlaufen.

Im März 2020 wurde der Stadtrat neu gewählt. Eine grüne Liste mit 24 Frauen und Männer, einer gewinnfähigen Gruppe, war nicht leicht zu finden. Wenn ich eine meines Erachtens besonders qualifizierte Frau angesprochen hatte, schüttelte sie den Kopf: „Sie könnte ja gewählt werden und müsste sich dann für 6 Jahre binden. Nein, das geht nicht!“ Irgendwann war ich auf Platz 3 und wusste, dass ich mich für 6 Jahre verpflichten würde.

Seit dem 1. Mai 2020 bin ich grüne Stadträtin und dritte Bürgermeisterin. Beide Ehrenämter sind mit interessanten Aufgaben verbunden. Am meisten freut es mich, wenn ich erfahre, wie viele gute Menschen in Immenstadt leben.

Wie bist du zu deinem politischen/gesellschaftlichen Engagement gekommen? Was hat dich dazu gebracht aktiv zu werden?

Ich bin in einem kleinen Dorf nahe Ravensburg groß geworden. Die katholische Kirche und der Sportverein boten Freizeitaktivitäten an, die mir zusagten. In der katholischen Landjugend lernte ich für eine Gruppe verantwortlich zu sein. Ich war überzeugt, dass die Kirche sich im Aufbruch befindet und einen großen Schritt zu einer modernen Wertegemeinschaft unternimmt. Da wollte ich mitmachen. 

Was bewegt dich am meisten? Was sind deine Hauptthemen?

Die größte Herausforderung ist für mich der Klimaschutz. Können wir die Erderwärmung im Rahmen der 1,5°C halten, haben meine Enkelkinder eine gute Zukunft vor sich. Dafür lebe ich. Damit ist das zweite große Thema angeschnitten: wir müssen uns den sozialen Herausforderungen einer Kommune stellen. Kinderbetreuung, gute Schulen, Jugendangebote, unterschiedliche Arbeitsplätze, respektvolle Altenpflege, egal ob wir von hier sind oder von woanders herkommen.

Oder anders formuliert: ein freundlicher Umgang miteinander, Vorurteile klein halten, gut miteinander kommunizieren, Mitgefühl für das Gegenüber haben, Gemeinschaft pflegen, die Arbeit der/des anderen wertschätzen, angstfrei in die Zukunft schauen.

Warum ist es wichtig, dass Frauen sich engagieren?

Frauen können nicht weniger als Männer, öfter aber machen sie ihre Sache anders. Viele Themen in der Kommunalpolitik diskutieren Frauen offener, dem Leben zugewandter und alltagstauglich. Dabei fehlt es selten an Sachlichkeit und Kompetenz.

Wie lässt sich Familie und Politik vereinbaren? Wie schaffst du es Familie und Politik/gesellschaftliches Engagement zu vereinbaren?

Ich hätte Familie und Politik nicht unter einen Hut bringen können. Das Engagement braucht viel Zeit für Ausschüsse, Sitzungen und Treffen. Im Umfeld finden Veranstaltungen statt, deren Besuch obligat sind. In der Elternzeit hätte der Sitzungsbeginn mit den Zu-Bett-Geh-Zeiten der Kinder kollidiert. Als ich wieder als Lehrerin arbeitete, hätte ich Familie, Beruf und Politik zusammenbringen müssen. Das wäre mir schwergefallen. Eine anstrengende Sitzung von 19h bis 22.30h/23h ist ja gedanklich nicht vorbei mit deren Ende. Am nächsten Morgen klingelt aber um 6 h der Wecker. Das geht am meisten zu Lasten der eigenen Gesundheit.

Heute lebe ich allein und bin in Rente.  Jetzt funktioniert es gut.

Wo sind Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Politik und Familie? Wo siehst du Handlungsbedarf, damit Politik frauen-/familienfreundlicher wird?

Wenn ich mich politisch engagiere als Mama, muss mein Mann oder eine andere liebevolle Bezugsperson die Kinder betreuen. Stell dir vor, ich wäre alleinerziehend?  Habe ich den ganzen Tag gearbeitet, acht Stunden im Beruf und vier Stunden Sitzung, wann bleibt Zeit zum Aufschnaufen?

Du hast drei Wünsche frei. Was würdest du dir wünschen in der Politik?

Erster Wunsch: der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien: Sonnen-, Wind- und Wasserenergie, eine gute Speichertechnik. Damit könnte man grünen Wasserstoff herstellen. Gemeinschaftsanlagen in Form von kalten oder warmen Fern- und Nahwärmenetzen

Zweiter Wunsch: In Immenstadt (und nicht nur da) fehlen bezahlbare Wohnungen. Für mich müsste Wohnen ein Grundrecht sein; Spekulation und Kapitalmehrung dürfte es nicht geben. Familienfreundliches Wohnen, altersgerechtes Wohnen, alleine wohnen, alles müsste problemlos möglich sein. Wohnungen zuerst für Hierwohnende, dann für Feriengäste und als Zweitwohnung.

Dritter Wunsch: Viele Frauen haben einen qualifizierten Beruf. Trotzdem erhalten sie selten den gleichen Lohn wie ihr männlicher Kollege und die Aufstiegschancen bleiben begrenzt, weil sie diejenige ist, die das Kind zur Welt bringt. Mit ihrem Beitrag zur Familie wird sie mehr als Ausfall und weniger flexibel einsetzbar betrachtet. Hat eine Frau es in die Chefetage geschafft, sagt man ihr eher nach, dass sie ein Mannsweib sei und karrieregeil, nicht, dass sie Expertin in ihrem Fachgebiet sei. Das würde einem Mann nicht passieren.

Mein vierter Wunsch: mehr Transparenz bei politischen Prozessen und weniger bürokratische Hindernisse.

Welche Persönlichkeit / Person hat dich am meisten inspiriert?

Petra Kelly, Renate Künast, Annalena Baerbock – drei starke grüne Frauen

Renate Schmidt (SPD), Rita Süssmuth (CDU), Greta Thunberg -  unbeirrbare Umweltaktivistin

Die Frauen im Iran, die gegen das muslimische Regime protestieren, ebenso wie die Frauen in Afghanistan, die bereits mundtot gemacht wurden – ich bewundere ihren Mut und ihre Zivilcourage.

Clara Zetkin, die mit ihren sozialistischen Mitstreiterinnen 1911 das Wahlrecht für Frauen durchsetzte

Sophie Scholl, stellvertretend für die mutigen Frauen in der NS-Zeit

Welches Buch hat dich inspiriert? Welches Buch sollte man unbedingt lesen?

Nahid Shahalimi (Hg.) – Wir sind noch da!  Mutige Frauen aus Afghanistan

Tom Saller – Wenn Martha tanzt

Paolo Cognetti – Acht Berge

Was würdest du jungen Mädchen/Frauen mit auf den Weg geben?

Wenn du mit einer Sache oder einer Situation unzufrieden bist, denke nach und fange an, etwas daran zu ändern. Das kannst du! Übrigens – nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Die aber sind da um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.

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