„Es braucht vor allem Beharrlichkeit und Ausdauer“

Kommunalpolitik als Herausforderung - Ein Artikel für die Zeitschrift „Der Bayerischer Bürgermeister“ von Barbara Holzmann, stellvertretende Bezirkstagspräsidentin in Schwaben und erste Vizepräsidentin des Bayerischen Bezirketags

31.01.21 –

Kommunalpolitik stellt eine große Herausforderung dar. Zum einen trägt man als Kommunalpolitikerin eine Mitverantwortung für den Lebensraum der Bürgerinnen und Bürger in der eigenen Region. Da es sich aber meistens um ein Ehrenamt handelt, bedeutet es auch immer einen Spagat zwischen Privat- und Familienleben, Beruf und Politik. Dennoch bin ich überzeugt, dass es sich lohnt, diese Herausforderung anzunehmen. Denn nur so können wir Frauen uns Gehör verschaffen und unsere Anliegen direkt auf politischer Ebene einbringen.

1994 wurde ich zum ersten Mal in den schwäbischen Bezirkstag gewählt. Damals war ich 35 Jahre alt, Mutter von drei Kindern im Alter von drei, fünf und zehn Jahren und ich war gerade wieder stundenweise in meinen Beruf als Sozialpädagogin in der ambulanten psychiatrischen Versorgung eingestiegen.  

 

Besonderes Interesse für Frauen – und Sozialpolitik

Für mich gab es zwei Beweggründe, um für den Bezirkstag zu kandidieren. Zum einen bin ich aus frauenpolitischer und feministischer Perspektive heraus davon überzeugt, dass wir uns nicht nur beklagen können, dass oft Männer das Sagen haben. Wir müssen selbst Verantwortung übernehmen. Zum anderen hatte ich auch eine sozialpolitische Motivation: Die Umsetzung der Forderungen aus der Psychiatrieenquete, ambulant vor stationär sowie eine gemeindenahe und dezentralisierte Versorgung. Dahinter stand die Idee die Hilfen zu den Menschen zu bringen und nicht, wie damals überwiegend üblich, die Menschen zu den Einrichtungen.

Der Bezirk, als das Sozialparlament mit den Schwerpunkten Behindertenhilfe, Altenhilfe und insbesondere psychiatrische Hilfen, war für mich eine klare Wahl. Engagiert, ideenreich und mutig trat ich mein Amt an und traf auf eine harte politische Realität. Jung, weiblich und bei den Grünen waren die falschen Voraussetzungen, um bei der Mehrheitspartei ernst genommen zu werden.

 

Mit Kommunalpolitik wird der Nahraum gestaltet

Über die vielen Jahre meiner politischen Arbeit bin ich bei meiner politischen Arbeit auf der Sachebene geblieben und der Überzeugung, dass unser Gemeinwesen nur funktioniert, wenn jede Einzelne und jeder Einzelne sich beteiligt und engagiert, entsprechend ihren oder seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Kommunalpolitik bietet die Möglichkeit unmittelbare Veränderungen im Nahraum mitzugestalten. Große politische Leitlinien, wie die Psychiatrieenquete, die Behindertenrechtskonvention oder auch das Bundesteilhabegesetz, brauchen Beschlüsse zur Umsetzung in den bayerischen Bezirkstagen.

Konkret heißt das: Haben Menschen mit Behinderung, psychisch kranke Menschen oder Menschen im Alter mit Unterstützungsbedarf die Chance, ihren Wohnort selbst zu wählen? Kommt die Hilfe zu ihnen oder müssen sie (unter Druck) zu den Hilfen ziehen? Wieviel Selbstständigkeit und Autonomie bleibt ihnen erhalten? Wie verlässlich sind sie finanziell abgesichert? Haben sie die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen? Welche Barrieren in der sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe gibt es? Welche Unterstützung gibt es in seelischen Krisen für die Betroffenen und ihre Angehörigen? Für die Umsetzung konkreter Hilfen und Angebote für diese Themen habe ich im Laufe der vielen Jahre immer wieder geworben, Verbündete gesucht, eine Vielzahl von Anträgen geschrieben und auch einige erfolgreich auf den Weg gebracht.

Stärke der Frauen ist zugleich deren Schwäche

Meine Beobachtung über die Jahre ist, dass Frauen stärker die Sachpolitik im Blick behalten und weniger an Machtkämpfen interessiert sind

Die Stärke in der Sachpolitik ist zugleich eine Schwäche bei Machtfragen. Alle (!) kommunalpolitischen Spitzenämter in Bayern sind von Männern besetzt, beim letzten Spitzengespräch zum Finanzausgleich der vier kommunalen Ebenen beim Finanzminister trafen sich 17 Männer und eine Frau!

Bei den letzten Wahlen zu den bayerischen Bezirkstagen haben wir Grüne deutlich an Mandaten hinzugewonnen. In Schwaben bilden wir mit der CSU eine Verantwortungsgemeinschaft und bei der konstituierenden Sitzung bin ich zur stellvertretenden Bezirkstagspräsidentin gewählt worden. Mit diesem Amt steigt die Verantwortung, aber auch die Gestaltungsmöglichkeit. Es eröffnet Einflussnahme, das Setzen von Themen, die Unterstützung von Projekten. 2018 wurde ich zur ersten Vizepräsidentin des Bayerischen Bezirketags, dem Kommunalen Spitzenverband der bayerischen Bezirke, gewählt. Die Arbeit auf Landesebene und in Zusammenarbeit mit den anderen Bezirken eröffnet dabei auch noch einmal ganz neue Perspektiven sowie Möglichkeiten. Das Amt zu nutzen für die Sachthemen, gibt dem eigenen Handeln eine Wirksamkeit und positive Erfolgserlebnisse.

Allerdings sind es immer noch zu wenig Frauen in der Kommunalpolitik! Insbesondere bei der Besetzung von Spitzenämtern mit Frauen gibt es in Bayern ein erhebliches Defizit. Wir sollten deshalb eine paritätische Besetzung der kommunalen Gremien anstreben.

Als Vizepräsidentin bin ich in Schwaben auch Vorsitzende des ‚Fördervereines  Schwäbisches Jugendsinfonieorchster‘. 90 hoch musikalische Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren in einem solchen Orchester unterstützen zu können, gehört zu den höchst erfreulichen Tätigkeiten in meinem Amt. Leider hat Corona alle Konzertpläne von 2020 verhindert.

Nach den vielen Jahren sehe ich mein kommunalpolitisches Engagement für mich als eine wirkliche Bereicherung. Neben meinen inhaltlichen Schwerpunkten in der Psychiatrie- und Behindertenpolitik erkenne ich mehr denn je einen dringenden Handlungsbedarf in der Klimapolitik. Hier sollte die Kommunalpolitik deutliche Zeichen setzen. In Schwaben beteiligen wir uns beim European Energie Award. Das heißt in einem strukturierten Prozess werden mit Politik, Verwaltung und Partnern konkrete Schritte zu einem klimaneutralen Bezirk angegangen. Dafür wünsche ich uns viel Engagement und Energie!

 

Kurz-Vita

Geburtsdatum: 27.05.1959

Geburtstort: Sao Paulo/Brasilien (aufgewachsen in Augsburg)

 

Politische Stationen

seit 1994                Mitglied des Bezirkstags von Schwaben

seit 2018                Stellvertretende Bezirkstagspräsidentin in Schwaben

seit 2018                Mitglied im Hauptausschuss, im Fachausschuss Psychiatrie und in der Vollversammlung des Bayerischen Bezirketags

2018                       Wahl zur Erste Vizepräsidentin des Bayerischen Bezirketags

2020                       Stadträtin in Immenstadt

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